Emmanuelle Bertrand interpretiert die Musik mit spritzig-lebhaften Tempi, knackiger Artikulation und dezent-unaufdringlichem Rubato. Ein paar Lesarten überraschen, was angesichts der Überlieferungslage – keine der vier handschriftlichen Quellen stammt aus der Hand des Komponisten – nicht weiter verwundert. Verzierungen werden selten und diskret angebracht, sodass sie wie spontan improvisiert wirken. Der (von Bach nur stichwortartig notierte) Schluss des d-Moll-Präludiums etwa erfährt eine überzeugende Realisierung, und an mehreren Stellen baut Bertrand stilvolle Überleitungsfloskeln ein. Sie spielt die fünfte Suite in der von Bach verlangten – aber allzu oft nicht berücksichtigten – Skordatur-Stimmung, die dem Instrument wieder neue Klangfarben entlockt.
Bertrand verfügt über ein feines Gespür für die Formung und Färbung der musikalischen Phrasen und findet immer neue Wege, einen Akkord zu brechen oder einen Triller aufzulösen. Sie trifft unbeirrbar den Affekt eines jeden Satzes und drückt ihn durchgehend mit geradezu süchtig machenden Klängen aus. Mit ihrer virtuosen Darstellung der sechsten Suite setzt sie dem ganzen Zyklus einen brillanten Schlusspunkt.
Carlos María Solare
Emmanuelle Bertrand | Bach: Suiten für Violoncello BWV 1007-1012
Für ihre Einspielung der Cello-Suiten von Bach benutzt Emmanuelle Bertrand ein Instrument des venezianischen Geigenbauers Carlo Tononi aus dem frühen 18. Jahrhundert, das – mit Darmsaiten bespannt, in tiefer Stimmung (415 Hz) mit einem passenden Barockbogen gespielt und in der einladenden Akustik einer Pariser Kirche aufgenommen – eine Fülle des Wohllauts entfaltet, der zu lauschen eine wahre Freude ist. Einziger kleiner Wermutstropfen ist dabei das andauernde Schnaufen und Stöhnen der Solistin, das genauso getreu eingefangen wurde.

Bei unseren Partnern erhältlich als CD oder Download:
Bach: Suiten für Violoncello BWV 1007-1012; Emmanuelle Bertrand (2018); harmonia mundi (2 CDs)