Das Konzert von Philip Glass hat vor bald 30 Jahren immerhin Gidon Kremer mit den Wiener Philharmonikern eingespielt, aber der neuen Einspielung gelingt es überzeugender, souveräner, die differenzierten harmonisch-rhythmischen Schattierungen dieser minimalistischen Musik darzustellen, indem Nebel seinen vertrackten Solopart wie die Stimmen des „Subjekts“ aus dem orchestralen Tutti abhebt: mal begleitend, mal unterbrechend, mal anfeuernd, mal beschwichtigend.
Im Strawinsky-Konzert wählen die Musiker zügige Tempi, um umso markanter Abschnitte voneinander absetzen zu können und die Übergänge als Ausdrucksdifferenzierungen aufzuladen. Und vor allem räumt Nebel den Solostimmen im Orchester Gelegenheiten ein, ungehemmt hervorzutreten: Hier scheint er als Solist die Trompete, die Flöte oder das Horn zu begleiten. Auf diese Weise entsteht ein unglaublich lebendiges, spontan wirkendes, reiches Musizieren, wie man es bei Einspielungen dieses Konzerts noch nicht erleben konnte. Zudem schlagen sich die sehr differenzierten artikulatorischen und dynamischen Abstufungen durchweg auch als Klangfärbungen nieder, welche den eher als spröde geltenden Duktus des Neoklassizismus geradezu in ein abenteuerliches Musikerlebnis verwandeln.
Giselher Schubert