Sie sind die Könige des vierhändigen Klaviers: Seit 1985 haben die gebürtige Israelin Yaara Tal und der gebürtige Münchner Andreas Groethuysen fast 40 CDs aufgenommen und dafür u. a. fünf ECHOs Klassik und zehn Preise der Deutschen Schallplattenkritik gewonnen. Seit 40 Jahren sind die beiden auch privat ein Paar, und das Interview mit ihnen in einem Schwabinger Café macht wirklich Spaß. Er ist der ruhigere Part, sie die quirlige, doch beide haben den Schalk im Nacken und ergänzen sich perfekt. Sein Name spricht sich übrigens Grotheusen aus, was, wie er selbst zugibt, eine merkwürdige Mischung aus Niederrheinisch und Niederländisch ist.
Frau Tal, Herr Groethuysen, wozu braucht man eine Neufassung der „Kunst der Fuge“?
Er: Reinhard Febels Werk ist eine Neukomposition auf der Basis der Bach᾿schen „Kunst der Fuge“. Jeder Ton der „Kunst der Fuge“ ist enthalten, aber nicht immer so, wie man es erwartet. Manchmal ist Bach sogar original zu hören, oft aber auch verfremdet, ergänzt, überschrieben, woraus sich ganz neue musikalische Erfahrungen ergeben. Es hat uns recht viel Mühe gekostet, das Werk zu erarbeiten, aber am Ende entstand ein scheinbar selbstverständlicher Ablauf, der den Zuhörern ein ganz anderes Erlebnis beschert als das Original. Dieses ist ja ein hochgeistiges Exerzitium, dem man konzentriert zuhören muss, um alles nachvollziehen zu können. Bei Febel ist das nicht mehr so. In einer Studie spielen zum Beispiel die beiden Klaviere im Sechzehntelabstand hintereinander her, wodurch sich ein oszillierender, schwebender Klang ergibt, der aber die gleichen Veränderungen nachvollzieht wie das Original – das ist schon ziemlich irre. Das gesamte Werk wird viel farbiger und zum Teil auch dramatischer und ist immer abwechslungsreich, und dabei haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Zuhörer geradezu nach dem nächsten Stück lechzen, weil sie wissen wollen, wie es weitergeht. Die Zeit vergeht wie im Flug.
Erkennt man den Bach noch?
Sie: Das gerade macht die Spannung aus. Mal kann der Zuhörer sich ausruhen und Bach hören, dann wird er plötzlich aus seiner Traumseligkeit gerissen und muss sich mit Febel auseinandersetzen. Aber man weiß, irgendwann kommt wieder Bach und man kann sich in gewisser Weise entspannen. Der Bach’sche Notentext ist hier wie ein Libretto, das ein Regisseur neu zum Leben bringt. Febel hat Bach inszeniert mit vielen bunten Farben. Er selbst nennt es eine Übermalung und vergleicht es mit Bildern von Anselm Kiefer oder Gerhard Richter. Er hat großen Respekt vor dem Original, das ja eigentlich keine Überarbeitung braucht. Bach ist für ihn eine Herausforderung, und ich finde, ihm ist etwas Geniales gelungen. Ja, ich denke, dass diese Studien nach den „Visions de l’amen“ von Messiaen das nächste große Werk für zwei Klaviere ist. Es ist kein religiöses, aber doch ein spirituelles Werk, in gewisser Weise eine Meditation über Bach.
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